Fr, 21. Mrz 2014

Erwachsen werden im Autodrom

Julian Le Play im Interview

Die Helden von morgen waren gestern: Julian Le Play veröffentlicht mit ‚Melodrom‘ sein zweites Studioalbum. Eine Platte, die er selbst als Konzeptalbum beschreibt – tiefschürfender, schlüssiger und erwachsener als das Debüt ‚Soweit Sonar‘. Vierzehn neue Songs zwischen Pop, Elektro und klassischem Songwriting hat er in Kroatien am Meer geschrieben und bei den Texten tief in die Gefühls,- und Metaphernkiste gegriffen. Im Interview mit VOLUME spricht der 22jährige über seine Beziehung zum ORF, die Amadeus Awards, wie man Songs im Flugzeug komponiert und warum für ihn Marteria oder Ryan Gosling inspirierender sind als alle Poisels, Naidoos und Bendzkos zusammen.

 

Letzte Woche warst du zu Gast in der  Radiosendung ‚Frühstück bei mir‘. Du bist seit 2011 auch Moderator bei Ö3. Wie fühlt sich das an, von der Arbeitskollegin interviewt zu werden?

Das Interview hat nicht im Studio, sondern bei mir daheim stattgefunden und war sehr angenehm. Dadurch, dass ich die Claudia von der Arbeit schon ganz gut kenne, hat sie mir sicher auch noch persönlichere Dinge entlocken können als andere. (lacht)

Was sie dich aber sicher nicht gefragt hat: Was antwortest du Leuten, die dir vorwerfen, nur wegen dem ORF populär geworden zu sein. Ö3 ist ja auch jener Sender, der deine Musik am meisten spielt…

Das würde ich so nicht sagen: Da ich bei Ö3 moderiert habe, war das bei meiner ersten Platte anfangs sofort klar, dass die meine Songs nicht spielen können. Ich wurde also erstmals zurückgewiesen. Dann hatte ich das Glück, dass andere kleine Privatsender wie 88.6, Kronehit aber auch Schlagersender an meinen Songs interessiert waren. ‚Mr. Spielberg‘ lief auf Ö3 also erst nach allen Anderen und zwar bewusst.

Wärst du ohne ‚Helden von morgen‘ da, wo du heute bist?

Ich denke schon. Nach ‚Helden von morgen‘ wurde ich relativ rasch fallen gelassen. Ich habe mir damals etwas naiv zumindest Unterstützung bei der ersten Albumproduktion erhofft oder bei der Organisation von Konzerten. Das Debüt ‚Soweit Sonar‘ habe ich aber bewusst erst nach einem Jahr veröffentlicht, als der ganze ‚Rummel‘ schon vorbei war. In diesem Jahr habe ich nicht nur meine Band und einen Produzenten, sondern auch zu meiner Musik und den deutschen Texten gefunden.

Haben Castingshows in Österreich ausgedient?

Wenn sie sich nicht weiterentwickeln und es keine frischen Angebote gibt, dann ja! Ich habe das Gefühl, die alten Formate können die Jungen einfach nicht mehr so mitreissen wie uns damals zum Beispiel ‚Starmania‘. Inzwischen haben wohl das Internet und YouTube gewonnen.

Bevor wir über dein neues Album sprechen, muss natürlich die Frage fallen, was aus dem Amadeus Award geworden ist. Kannst du die Kritiker verstehen?

Soweit ich weiß, haben bis jetzt alle unterschiedliche Gründe genannt, den Amadeus zu boykottieren. Die Erklärung von Monobrother finde ich sehr plausibel und nachvollziehbar. Zum Naked Lunch Aufreger kann ich nur sagen: Auch in den Medien passieren verdammt oft unnötige Fehler, über die man sich als Künstler ärgern muss. Damit muss man sich abfinden. Prinzipiell finde ich, dass man den Amadeus nicht dafür verantwortlich machen darf, dass es der österreichischen Musiklandschaft schlecht geht. Der Amadeus wird jetzt als Projektionsfläche des ‚Bashing‘ benutzt und das finde ich keine gute Lösung. Ich habe den Amadeus jedenfalls als engagierten Preis mit einer guten Show in Erinnerung. Viele meiner deutschen Freunde meinen, der Echo Preis ist längst nicht so überzeugend gemacht wie der Amadeus.

Mit Künstlern wie Left Boy, Bilderbuch oder Gerard wächst eine Generation heran, die ihre Musikvermarktung selbst in die Hand nimmt und via Social Media ein Massenpublikum erreicht. Majors oder eben Preise wie der Amadeus waren noch nie so unverzichtbar…

D’accord! Ich glaube, dass sich diese Generation damit abgefunden hat, dass man sich heute nicht mehr allein auf Medien oder die Branche verlassen kann. Mit dem Internet als Plattform können viele Talente genau das machen, was sie wollen – nämlich gute Musik. Ich glaube, dass junge Künstler heute wieder vermehrt über den Tellerrand blicken. Es wird wieder in größeren Dimensionen gedacht – über Österreich oder Europa hinaus. Das empfinde ich als sehr positive Entwicklung!

Auch dich zieht es nach Deutschland zur ‚Melodrom‘-Tour! Bist du nervös? In Österreich ist dein Sound einzigartig – in Deutschland lauern überall die Poisels, Naidoos und Bendzkos…

Ich freu mich riesig auf die Tour. Im Übrigen werde ich nicht gerne mit anderen verglichen. Klar freue ich mich, wenn Zeitungen schreiben, dass Poisel, Naidoo und Co jetzt einen neuen Musikerkollegen haben, der auf gleichem Niveau mithalten kann. Dann gibt es aber auch solche die meinen, dass dieser Sound bereits totgespielt wurde. Das finde ich nicht. Härter wird es in Deutschland aber auf alle Fälle. Auf der anderen Seite: Ein Philipp Poisel musste ja auch irgendwann Österreich erobern. (lacht)

Dein neues Album soll eher so nebenbei entstanden sein. Wie kann man sich das vorstellen?

Nach meiner letzten Österreichtour wollte ich etwas Abstand von der Band und bin nach Kroatien gefahren. Der Grundgedanke war ganz klar, Freiraum zu gewinnen und ein bisschen Urlaub zu machen. Die neuen Songs sind dann spontan dort entstanden.

Du bist mit Gitarre und Badehose am Strand gesessen und hast einfach so drauflos komponiert?

Die Songs sind an ganz unterschiedlichen Orten entstanden. Einen habe ich zum Beispiel im Flugzeug geschrieben, der heißt jetzt auch ganz treffend ‚Pilot‘. Die Songs sind vor allem am Mini-Keyboard entstanden und mit eingespielten Beats und Soundflächen. Ich arbeite da ähnlich wie im Hip-Hop. In letzter Zeit habe ich auch auffallend viel deutschen und österreichischen Rap von Marteria bis Casper oder Gerard gehört.

Was sind für dich die größten Unterschiede zwischen den zwei Platten?

Meine erste Platte war eine Art ‚Best of‘ vieler verschiedener Stile – von Pop bis Rock, von Ballade bis Hymne. Das neue Album bewegt sich klar in einer Richtung und hat auch einen roten Faden. Dieser Faden heißt ‚Melodrom‘. Das Album kommt mir viel formatierter und schlüssiger vor, weil es in so kurzer Zeit komponiert wurde. Jedes Lied steht mit einer Metapher als Symbol für ein Gefühl. Da ist zum Beispiel das Karussell und die Nostalgie an die Kindheit, der Phönix und der Neuanfang oder der Anker, der im Song zwischenmenschliche Gefühle symbolisiert. Zudem ist das Album viel elektronischer, der Song ‚Blue Jeans‘ könnte auch von Justin Timberlake stammen.

Klingt sehr nach Konzeptalbum…

Das ist es auch. Das Album kann man in zwei Hälften teilen: Die zwischenmenschliche, melancholische, dunklere Seite, die ich ‚Melo‘ getauft habe. Dann gibt es aber auch die bunte, hedonistische Seite mit Songs wie ‚Wir haben noch das ganze Leben‘. Diese Songs erinnern mich an eine Kirmes, an Autodrom fahren und den Wiener Prater.

Melo und Drom – jetzt macht alles Sinn. Hattest du vor, mit dem neuen Album ein neues Publikum anzusprechen?

Ich hatte Angst, mein altes Publikum zu verlieren, weil die Platte meiner Meinung nach nicht mehr so leicht verträglich ist. Ich habe aber das Gefühl, dass alle mitgehen. Bei meiner Musik ist es so wie bei den Harry Potter Bänden: Die ersten zwei, drei Bücher waren eher zurückhaltend für damals junge Menschen geschrieben. Dann sind diese jungen Menschen aber auch älter geworden und die Bücher sind inhaltlich mitgewachsen. Plötzlich ging es um Liebe und Familie.

Bei dir geht es vor allem um die ganz großen Gefühle – was ist für dich Romantik?

Romantisch sind für mich nicht nur zwischenmenschliche Beziehungen, sondern auch, sich sehnsüchtig an etwas zu erinnern. Aber auch Träume können romantisch sein.

Wenn darüber singst, ist das dann immer auch gleich autobiografisch?

Gefühle brauchen meiner Meinung nach schon eine Projektionsfläche, um gut rüber zu kommen. Entweder, man ist es selbst wie zum Beispiel in ‚Miss Curly Hair‘ oder ‚Mein Anker‘, oder man stellt sich eben eine Person vor. In ‚Rollercoster‘ habe ich mir einen Zirkus Artisten ausgedacht, der von Stadt zu Stadt zieht und das Leben auf der Straße liebt. Eines Tages sitzt da dieses Mädchen in der ersten Reihe der Manege und er beschließt, bei ihr zu bleiben. Das ist wie im letzten Ryan Gosling Film ‚The Place Beyond The Pines‘. Der war einfach super!