Teenage Angst, Teenage Lust
New Hot Music Shit #39
Wenn es darum geht, den Weltschmerz und die Liebe, die zum ersten Mal gefühlt im brennenden Herzen, so richtig auf den Punkt zu bringen, dann eignen sich C, Am, F, G und ein paar Barrégriffe immer noch am Besten, den ganzen Wahnsinn in ein Format zu bringen – ein Lied muss her! Kaum dem Elternhause entronnen, zieht es hier Jungen und Mädchen raus in die Welt und auf die Straße – Dott Red haut ab nach London, Lewis Watson macht einen drauf mit Freunden, wenn er nicht traurige Lieder schreibt. Dass das aber auch Menschen in Westfalen und Wien können – und tun – soll hier im folgenden ausreichend bewiesen werden. Achja, und sehr feine Frühlingsmusik ist auch mit dabei! Hummelhummel, summsumm!
Dott Reed
Junges Mädchen, alte Geschichte: Roaring Twenties!
Tief im tasmanischen Ländchen wuchs Samantha Dorothy Reed auf, bevor sie sich den Namen zu einem „Dott“ abschneiden ließ und als 14 jährige die Biege machte, um nach London zu ihrem Onkel zu ziehen. In Australien nämlich war nüscht los gewesen: Kein TV, keine Disse, nur ein tasmanischer Teufel hatte sie mal durch den Busch gejagt als Aufregungshighlight. Gottseidank hatte Frau Reed ihre russische Oma als Unterhaltung und jede Menge Louis Armstrong und Doris Day Platten. Dotts musikalische Entwicklung setzte also da an und schraubt sich Jahrzehnte-mässig kontinuierlich nach hinten: 40er, 30er, 20er, Django Reinhardt und Charlston. Mit Bandkollegin Emily Mc Gregor und einem Waschbrett zum Musizieren setzt sie sich in die Londoner Subway-Kanäle und wurde dort hurtig von einem italienischen Produzenten entdeckt, der sie erstmal in Bella Italia vorstellte. Von da und UK aus verzaubert uns Dott nun mit tollen Kostümgeklunker, Swinganleihen und dem Glamour der Belle Epoche im Indiegewand.
Für Fans von: The Asteroids Galaxy Tour, Bette Midler, Paloma Faith
Link: www.facebook.com/dottreed
aktuelles Album: EP „Dott Reed“ 30.05.2014 / Label: Wasabi Records
Highasakite
Nordischer Elfen-Indianer-Pop
Noch mehr Folklore! Die Osloer Zauberband perlt wie ein Wasserfall ins Meer – aber ob es eine skandinavische Küste ist oder eine in träumerische Südseebucht, das kann man so leicht nicht ausmachen. Die Anfänge waren eher prosaisch: Sängerin Ingrid Helene Håvik geht aufs Jazz Konservatorium in Trondheim und lernt dort den Schlagzeuger Trond Bersu kennen, nach und nach kommen die anderen drei dazu. Aber all that Jazz ist nicht, wonach Ingrid das Herz steht – sie pendelt von New York nach Istanbul nach Oslo, um dort einen Dokumentarfilm über einen Norweger zu sehen, der sich durch eine psychische Erkrankung als Indianer sieht. Deshalb tritt die Band dann auch gern mal mit Federschmuck und Gesichtsbemalung auf. Im Sound von Highasakite schlägt sich dieses Fernweh nieder und so manche weltmusikalischen Chants kann man ausmachen im sonst so melancholischen Elektropop. Elfenmusik, für’s offene Meer geeignet wie auch für die Strandhütte oder den Drogentrip im Tippi – Highasakite heißt ja slangmässig nix anderes wie super drauf.
Für Fans von: Ephemerma, Likky Ly, Tu Fawning
Link: www.highasakite.no
aktuelle Single: „Silent Treatment“ 08.04.2014 / Label: Propeller Recordings/In Kind Music
Wild Ones
Twee, twee, Frühlingspopgezwitscher!
Ja, ja, da wollen sie uns gleich mal auf die falsche Fährte locken, die sechs Hübschen von Wild Ones – so wild sind sie gar nicht, eher niedlich, sweet und zartbesaitet. Die Kids aus Portland machen dem Schubfach Tweepop alle Ehre, erweitern den Begriff aber um ein ordentliches Paket Elektronik und eine polierte Produktion. Die aber nie zu glatt und überladen daherkommt – wohl, weil sie im heimischen Proberaum aufgenommen wurde, wo links Heavy Metal Bands und rechts die Thermals probten. „Wenn man ganz genau hinhört, kann man die Double Bass im Hintergrund erlauschen“, sagt Sängerin Danielle Sullivan, die wie ihre Kollegen mit der Band folgendes vorhatte: Eine gleichberechtigte Truppe gründen, in der keiner Starallüren an den Tag legt und alles gemeinschaftlich getragen wird. So auch die Kosten: 6000 Dollar kratzen die Süßen zusammen, um ihr Debut „Keep it safe“ aufzunehmen. Hat sich gelohnt, denn jetzt kann man den Schatz auf Vinyl bestellen – Anwärter auf die schönste Frühlingsplatte!
Für Fans von: Ivy, Emiliana Torrini, She & Him
Link: http://wildonestheband.tumblr.com
aktuelles Album: “Keep It Safe” 16. Mai 2014 Topshelf Records (Soulfood) auf 1000 Stück limitiertes farbiges Vinyl!
Lewis Watson
Nasse Höschen für UK-Folk-Pop
Ein Klassiker: Aus der Youtube-Arbeiterklasse hoch auf den Pop-Olymp. Tja, scheint wahr zu werden für Lewis Watson. Der Bub von 21 Jahren hat mit 16 seine Gitarre geschenkt bekommen, sein cooler Musiklehrer nimmt mit ihm eine 4-Track-EP auf: ‚It’s got four sad songs on it BTW‘. Diese stellt Lewis in Netz und ab geht die Post – Klicks, Likes, Liebesbriefe von Mädchen und von Warner Music. Und schon isser gesignt beim Labelriesen und macht sich auf den Weg zum Popstar: Aus kleinen Gigs werden große Venues, aus 500er Kapazitäten schnell richtige Hallen. Und das mit grade mal 4 EPs draußen – die allerdings einschlagen wie Mondgestein. Der Teenage-Lust-Folk mit welpensüßer Naivität macht Bock auf Blödsinn machen und aAufbleiben bis zum nächsten Mittag – Anleitung dazu gibt’s im offiziellen Video zu „Calling“, in dem Milchbubi Lewis mit seinen Freunden eine englische Kleinstadt in Teenagerart durchfeiert: Klauen im Kiosk, Vodka und Red Bull-Orgien, Rauchen und Kiffen, Knutschen und Mehl verschütten.
Für Fans von: Bombay Bicylce Club, Ed Sheeran, Guillemots
Link: www.lewiswatsonmusic.com
aktuelles Album: “Into The Morning” 13.06.2014 (Warner Music)
Schafe & Wölfe
Neuer Deutscher Rave
Und was in England als Blaupause für die Verkörperung der Nacht und der Macht der Jugend respektive Youth of Working Class siehe oben fungiert, das schafft für die deutsche Kleinstadt/Großstadt/Raveathon-Generation dieser Lümmelhaufen: Chris Hyla und Max Scharff aus Westfalen machen ganz offensichtlich, worauf sie Bock haben. In dem musikalischen Fall ist das Neuer Deutscher Rap. Schublade auf, zu Casper reingesteckt, schön einfach gemacht. Zu einfach, bestimmt: Denn die beiden Dudes geben zu der markanten Rap-Röchelstimme von Scharff noch allerlei anderes, wie zum Beispiel bouncige Elektrobeats, die in keinem Videospiel fehlen sollten, dazu Lagerfeuergitarre und DIY-Attitüde. Bescheinige ich ihnen mal, denn wer mit Der Tante Renate aufnimmt, dem kann das Herz nicht so weit vom selbst gemachten Fleck haben. Wie bei Renates Nebeneinkommen BRATZE geht es auch hier Indie-ravig zu, die Texte allerdings sind aus dem Tagebuch, das sich die Freundin zu lesen wünscht. Werden bestimmt noch mal die Ärzte supporten.
Für Fans von: Casper, Frittenbude, Bratze
Link: www.lewiswatsonmusic.com
aktuelles Album: “Into The Morning” 13.06.2014 (Warner Music)
L I A N
It’s a long way to the top if you wanna rock’n’roll
So, und dann bringen wir das Kind nach Hause: Nach dem Bubenwunder aus UK, nach den Neuen Deutschen Rappern gehma heim und erfreuen uns an der Tatsache, dass Österreich so umtriebig wie schon lange nicht mehr Bands in die Welt schickt, die von derselbigen auch gehört werden. Ob nun Bilderbuch, ob nun Kreisky – es wuselt und floriert. Und da möchten wir auch dieses Trio sehen, oben vorne mit dabei: LIAN ist ein Nebenprojekt der Punker 3 Feet Smaller, aber von einer Unterordung sollte man hier besser nicht sprechen. Philipp Hörmann, Frank Schachinger und Markus Jürgensen haben extremen Bock, Musik rauszuhauen, und wenn der Drang durch neue Baustellen befriedigt werden kann, dann machen sie eben eine weitere Kapelle auf. Hier wird nun, und das ist neu, in Deutsch gesungen – und auch hier ist das Thema das verdammt aktuelle momentane Leben und wie es sich anfühlt. Kann man das direkter rüberbringen als in der eigenen Sprache? Wohl kaum. Hut ab für diesen Schritt – konsequente Rockmusik mit ebensolchen Aussagen.
Für Fans von: Queens of the stoneage, Helmet, Surrogat
Link: www.lianband.com