Utopisch Gut!
Let's Talk About Sex #39
Die Liebe scheint mir in unserer Gesellschaft zu einem kapitalistischen Warengut geworden zu sein, dessen Wertigkeit durch allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten bestimmt ist und gerade dadurch eine unheilige Allianz der Wertlosigkeit eingegangen ist.
Der Mensch scheint die Grenzen zu brauchen, um sich am Rande einer Komfortzone bewegen zu können, jedoch nicht darüber hinaus, um sich dabei in trügerischer Sicherheit wiegen zu dürfen. Wovor haben wir Angst? Vor dem Leben oder vielleicht vor uns selbst?
Wir stürzen uns in Beziehungen, die uns ein vermeintlich sicheres Leben versprechen, mit dem Stempel des Exklusivitätsanspruchs versehen, um der Unsicherheit der grenzenlosen Liebe nicht ausgesetzt sein zu müssen. Angst davor, dass man nicht die Einzige ist, dass es keinen gibt, der einen genug liebt, Angst davor, allein zu sein. Und das schlimmste dabei ist nicht das Alleinsein an sich, sondern mit sich selbst allein zu sein. So beginnt der Jakobsweg auf der Suche nach Sicherheit.
Auf der Suche nach verlogener Sicherheit suchen wir ein naives Opfer, das dazu bereit ist, uns zu lieben, denn selbst schaffen wir es nicht, uns dieses Gefühl entgegenzubringen. Kurz über lang wird auch die einem entgegengebrachte Liebe mit einem Unverständnis einhergehen, weil es merkwürdig ist, dass der Partner jemanden liebt, den man selbst nur verachtungsvoll entgegentritt. Dies resultiert dann in einem Facettenreichtum an Beziehungssabotageaktionen, die von Jahr zu Jahr den Beziehungskörper immer mehr vernarben lassen. Die aus falschen Gründen eingegangene Partnerschaft verbreitet nun in den Adern des Beziehungskörpers ein toxisches Gift, das aufgrund der vernarbten Oberfläche nicht mehr fähig ist, auszuporen. Es zirkuliert solange, bis die vermeintliche Liebe daran erstickt ist, die es jedoch nicht wert ist, sich nach ihrem Scheitern in Tränen zu ergießen, da die Garantie auf das Warenkonstrukt solcher Beziehung von vornherein ein absehbares Ablaufdatum hat und den Hang zur verfrühten Säuerlichkeit aufweist.
Bis dato schenkt einem der Orgasmus den Hauch einer Ahnung von dem, wie Freiheit und Grenzenlosigkeit in der Liebe schmecken könnte. Der Orgasmus zeigt den Sollzustand einer symbioseartigen Verbindung zweier, dreier Menschen. Der Mensch unterliegt, wenn auch nur für Sekunden, dem totalen Kontrollverlust und somit der Grenzenlosigkeit, mit der Absage an der Gier nach Sicherheit. Man blickt einem Horizont entgegen, der Klarheit in unserer Blindheit findet, ein Moment, der den Klang der Todesstille summt und zugleich den lauten Urknall unserer menschlichen Ursprünglichkeit ertönen lässt. Ein Ort, an dem der Schatten vor dem Licht flieht und das Licht im Schatten Zuflucht findet. Ein Ort, an dem die Wärme bringende Sonne die gefrorenen Tränen der Seele zum Schmelzen bringt. Ein Ort, der in seiner Unsicherheit Sicherheit beherbergt. Ein Ort, der überall, aber zugleich nur in uns selbst zu finden ist.