Der Schizo in meinem Bett!
Let's Talk About Sex #48
Laut einiger populärwissenschaftlicher Studien, lässt sich die Geburtsstunde des Multitaskings im Steinzeitalter lokalisieren. Aufgrund der damaligen Aufgabenverteilung wird die Fähigkeit eher dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben. Es scheint heutzutage regelrecht zu einer Herausforderung geworden zu sein, im Hier und Jetzt zu vögeln, ohne im Hinterkopf die Ohnmachtsanfälle-auslösende To-Do-Liste zu haben, die aus unserem Alltag einen 24-Stundenjob gemacht hat. Im Zeitalter des technischen Fortschritts ist nicht nur die Generation Fast-Food, sondern auch Fast-Fick geboren worden. Die Zeit der „Quickies“ ist angebrochen – ein Wettlauf zum Orgasmus, Zeit für Zärtlichkeit war gestern. Heute ist das Fick-Motto ‚in der Kürze liegt die Würze‘ anstatt „in der Ruhe liegt die Kraft“. Wird unser Liebesleben nicht dadurch seiner Intensität und Qualität beraubt? Lässt uns unsere fragmentierte Aufmerksamkeitsspanne zu Schizos im Schlafzimmer mutieren?
Die To-Do-Liste verhängt unser Liebesnest mit einer in Nebel gehüllten Wolkendecke, die rund um die Uhr unserer Aufmerksamkeit bedarf. Während wir bereits kurz vorm Orgasmus sind, weist der nächste trübe Alltagsgedanke ihn sogleich wieder in seine Schranken. Anstatt in Slow Motion zu vögeln, sehen wir uns aus einem zeitlichen Engpass heraus gezwungen, auf die Vorspultaste zu drücken und vergessen dabei, dass Druck auf unsere Liebesflamme der libidinösen Wirkung eines Feuerlöschers gleichkommt. Je länger die Lava des Vagina-Vulkans unter der Oberfläche zum Brodeln gebracht wird, desto stärker wird auch die Intensität seiner Ejakulation. Mit dem Wettkampfgedanken „wer kommt zuerst“ geht jeglicher Spaß an der Sache verloren. Eine durch Multitasking hervorgerufene Halbherzigkeit in der Kiste, ist wie ein Cola ohne Kohlensäure, da bleibe ich lieber gleich beim Stillen Wässerchen.
Sex sollte wie Schokolade essen sein: Steck‘ dir ein Stück Vollmilchschokolade tief in den Mund, schließe dabei sanft deine Augen und erlaube es der Kakaobohne all deine Geschmacksknospen zum Blühen zu bringen. Lass Zotter dich zum Höhepunkt einer aromatischen Ekstase treiben und dein Immunsystem mit einer ordentlichen Portion Glückshormone stimulieren, bis du in Genuss eines Mundorgasmus gekommen bist.
Und jetzt stell‘ dir dasselbe Szenario nochmals vor, mit dem Unterschied, dass du dieses Mal die Augen geöffnet lässt, im Internet surfst und gleichzeitig deinen WhatsApp Verlauf kontrollierst. Wie schmeckt die Schokolade jetzt? Hast du überhaupt mitbekommen, dass du gerade dabei warst, eine zu essen?
Wie wichtig ein gutes Sexleben für unser tägliches Wohlbefinden ist, kann man vor allem daran erkennen, wie elendig ein Dasein ist, wenn vor lauter beruflichen Verpflichtungen keine Zeit mehr dafür bleibt. Egal wie viel Wert wir dem guten alten Euro beimessen, Geld wird niemals dazu im Stande sein, unser Loch im Herzen zu flicken. Wir können mit Geld auch nicht unseren Liebesdurst stillen und deshalb katapultieren wir die To-Do-Liste mindestens für ein Stündchen am Tag ins Abseits und erlauben uns ein kleines sinnliches Ballspiel, bei dem die Garantie auf einen Elfmeter gesichert bleibt.