Das liegt doch sowieso schon im Laden rum…

Angefressen #49

Als Vegetarier kann man es ja eigentlich nur falsch machen. Hat man sich auf der Grillparty durch das Platzieren eines Burger-Pattys aus Weizeneiweiß auf dem Grill unfreiwillig als irrer Blumen-Hippie geoutet, kommt meist irgendwer mit dieser unsinnigen Konsequenz-Spirale daher: „Ja, aber wenn du kein Fleisch isst, dann darfst du auch kein Auto fahren.“

Nicht? Dann darf jemand, der Müll trennt, vermutlich auch keinen Kohlestrom verbrauchen? Und jemand, der mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, darf keine Plastiktüten benutzen? Und generell ist jeder, der sein Verhalten in irgendeiner Art und Weise optimiert, eigentlich ein inkonsequenter Heuchler, solange er nicht eremitengleich in einem Erdloch haust, mit nichts als selbstgehäkelten Moos-Gewändern am Leib und sämtlichen Vorzügen der Zivilisation entsagt.
Na klasse, auf die Art kommen wir bestimmt echt weit. Heißt das umgekehrt, dass wenn ich ohnehin schon mal Scheiße gebaut habe, ich mir um den Rest auch keine Gedanken mehr machen sollte? Womöglich hören wir dann bald öfter die Erwiderung:  „Ohne Fleisch? Nein, nicht für mich, ich fahre einen sehr großen Geländewagen und entsorge zweimal pro Jahr mein Altöl in der Toilette. Das wäre inkonsequent.“
Auf der anderen Seite wird man oft belächelt, Boykott würde generell gar nichts bringen, denn im Supermarkt liege ja ohnehin tonnenweise Fleisch herum. Ja, schon richtig, aber das liegt da ja nicht so zum Spaß herum, sondern um damit Kohle zu machen. Keine Supermarkt-Kette der Welt verschwendet heute noch lange Regalplatz für Dinge, die ihnen am Ende keiner abkauft. Ok, die Kuh, die da abgepackt vor einem liegt, rettet man natürlich nicht mehr, wenn man sie nicht isst.
Der Kauf ist aber eben ein Auftrag an den Markt, nächste Woche wieder ein Stück Kuh im Regal liegen zu haben. Wir importieren Soja und verfüttern es an Wiederkäuer nur aus dem Grund, weil die daraus entstehende Wurst jemand kauft. In der Elfenbeinküste arbeiten Kinder auf Kakao-Plantagen, weil jemand die daraus entstehende Schokolade kauft. Und in Plattenläden liegen CDs von Frei.Wild, weil die ernsthaft jemand kauft.
Wenn ihr also etwas so richtig scheiße findet und es nicht länger unterstützen wollt, dann boykottiert es. Ein Unternehmen, dessen Produkte niemand kauft, geht früher oder später pleite, das ist die Macht des Konsumenten. Ihr findet Atomstrom ist keine gute Idee? Dann kauft keinen. Von Helene Fischer kotzt Euch das Gehirn aus dem Ohr? Dann packt euch von dieser Trulla halt keine CDs ins Amazon-Körbchen. Was niemand kauft, das wird auch nicht länger hergestellt.
Und das funktioniert sogar, ohne dass man im Moos-Pyjama in einem Erdloch lebt.