Freunde gehören nicht ins gleiche Bett
Innenleben #49
Freundschaft zwischen Männern und Frauen kann funktionieren. Keine Frage. Aber jeglicher romantische Gedanke muss dabei tabu sein. Sonst wird’s kompliziert.
Schluss, aus und vorbei! Das tue ich mir nicht nochmal an. Du willst nur Freundschaft? Hm, ja okay. Immerhin. Nein, nichts mehr mit immerhin. Diese vermeintlichen Freundschaften enden irgendwie doch immer im großen Drama. Vor zwei Jahren offenbarte mir zum Beispiel Sam um vier Uhr in der Früh am Weg nach Santiago, dass er sich in mich verliebt hatte. Wir hatten uns zwei Wochen zuvor am Jakobsweg kennengelernt und sind die letzten 400 Kilometer zusammen gegangen. Und nun das: Wir staksen durch den stockfinsteren Wald, sind mit einem Seil miteinander verbunden und während er herzzerreißend nach meiner Abfuhr vor sich hin schluchzt, versuche ich mich nicht ganz so sehr auf die versteckten Werwölfe zu konzentrieren.
Also ich weiß für mich, dass ich nicht mit jemandem befreundet sein kann, für den ich einmal romantische Gefühle hatte oder habe. Dazu kenne ich mich schon zu gut. In dem Moment, wenn die Freundschaft zu intensiv wird, kramt mein Herz euphorisch alte Gefühle wieder heraus und mein fantasieverliebtes Hirn fragt sich, ob dieser eine Satz, diese eine Berührung (oder auch nur dieses eine Like) … ob da vielleicht doch was dahinter steckt. Aber dabei spielt mir meine Wahrnehmung einfach einen Streich! Weil Freundschaft ist Freundschaft und jeglicher Mehrwert ist reine Einbildung. Klar ist es manchmal schade, wenn man jemanden kennenlernt, mit dem man sich total gut versteht. Und wenn es zur Beziehung nicht reicht oder das Timing gerade schlecht ist, wäre doch eine Freundschaft auch nett. Man hat die gleichen Interessen und Hobbys, warum also nicht den einen oder anderen Berg gemeinsam besteigen? Aber diese Freundschaften sind leider oft einseitig auf dem Prinzip der Hoffnung aufgebaut: Vielleicht verliebt er sich irgendwann doch in mich. Vielleicht erkennt er in der Unverfänglichkeit der freundschaftlichen Begegnungen ja, wie toll ich bin. Aber nein, das passiert nicht. Ich brauche mir nichts vorzumachen. Denn wenn ich das ganze umdrehe, dann weiß ich eben auch, dass sich in meiner Einstellung zu den Freundschaften, die ich mit Burschen habe, nichts ändern wird. Und mal ehrlich: über kurz oder lang verebben diese platonischen Beziehungen ohnehin spätestens dann, wenn der eine wieder in einer Beziehung ist oder der andere merkt, dass ihm diese Art von Freundschaft nicht gut tut. Was bleibt ist die Facebook-Freundschaft, in der der eine Fotos der neuen Beziehung postet und der andere liked sie tapfer (schau schau, ich bin über dich hinweg) oder wohlwollend (hui, bin ich froh, dass du über mich hinweg bist).
Mein bester Freund hat mir gestern verkündet, dass er Abstand braucht. „Abstand? Von unserer Freundschaft?“ – Nein. – „Oh …“ Klar kann sich manchmal aus einer Freundschaft irgendwie etwas entwickeln. Aber das Zauberwort ist ENTWICKELN (in Großbuchstaben!). Denn ich glaube, sobald einmal das Thema Gefühle offen am Tisch liegt, ist das Verhältnis zueinander immer ein anderes. Dann habe ich also seit gestern statt 352 nur noch 351 Facebook-Freunde. Aber zumindest weiß ich nun, dass ich aufgehört habe, mit mir selbst und meinem besten Freund emotional verstecken zu spielen.