Der amerikanische Albtraum
Hubert von Goisern im Interview
Heast as nit , wia die Zeit vergeht: Seit über 25 Jahren bereichert der Weltmusiker Hubert von Goisern das Showgeschäft mit kulturübergreifenden Melodien und ehrlichen aber fordernden Texten. Im Frühjahr ist die biographische Dokumentation „Brenna tuat’s schon lang“ über den oberösterreichischen Völkerverständiger erschienen, mit seinem aktuellen „Federn“ spielt er diesen Sommer auf der Burg Clam und in Wiesen. VOLUME hat mit Hubert von Goisern über Vorbildfunktionen, seine Ehrenbürgerschaft und den amerikanischen Albtraum nachgedacht.
Berechtigte Frage: Wieso war es im Jahr 2015 an der Zeit, einen Dokumentarfilm über das bisherige Leben von Hubert von Goisern zu veröffentlichen?
Mein Manager Hage Hein hat sich eingebildet, dass es einen Film über meinen Werdegang braucht. Damit wollte er schon zu meinem 60. Geburtstag fertig sein, jedoch hat ihn die Fülle des Archivmaterials erschlagen. Ich konnte und wollte ihn bei diesem Projekt nicht unterstützen. Natürlich ehrt es mich, wenn jemand sich die Mühe macht, eine Dokumentation über mich zu verfilmen. Aber es ist auch peinlich, aktiv daran mitzuarbeiten. Den einzigen Rat, den ich ihn geben konnte: „Such dir einen professionellen Filmemacher, der dich unterstützt!“. Umso mehr hat es mich gefreut, dass er den Rosi (Anm d. Red.: Marcus H. Rosenmüller) als Regisseur gewinnen konnte. Somit war klar: Der Film wird gut, auch wenn mir nicht gefällt, was darin vorkommt.
Eine der ersten Szenen in „Brenna tuat’s schon lang“: Du triffst auf deinen Mentor, Sepp Atzmannsdorfer. Für wen übernimmt Hubert von Goisern die Vorbildfunktion?
Das weiß ich nicht! Der Sepp hat ja bis vor kurzem auch nicht gewusst, welche Rolle er in meinem musikalischen Werdegang gespielt hat – verstehen tut er’s bis heute nicht. Was wahrscheinlich auch an seiner sehr bescheidenen Art liegt. Ist ja auch komisch, wenn dir jemand offenbart, dass du seine bzw. ihre künstlerische Motivation bist. Hier bedarf es einem nötigen Respektabstand. Darum halte ich es schon immer so: Wenn ich Vorbild sein möchte, dann nur in der Form, dass ich Leute dazu ermutige, das zu tun, was sie in sich spüren.
Nach über 25 erfolgreichen Jahren im Musikgeschäft: Wäre es dir heute immer noch peinlich, wenn dir deine Heimatstadt Bad Goisern ein Denkmal setzen würde?
Nachdem ich bereits seit elf Jahren Ehrenbürger dieser Stadt bin, ist ein Denkmal nicht mehr nötig. Hoffentlich! (lacht)
Was bedeutet dir diese Ehrenbürgerschaft?
Bitte, ich will da am besten gar nicht drüber reden! (lacht) Teddy Podgorski hat einen sehr passenden Spruch dafür: „Es gibt nur eins, was noch peinlicher ist als eine Ehrung anzunehmen – nämlich sie abzulehnen!“. Ich bin übrigens der erste Ehrenbürger, dessen Nominierung nicht einstimmig erfolgt ist – die freiheitlichen Mandatare waren alle gegen meine Auszeichnung. Das macht die ganze Angelegenheit schon wieder erträglicher…
Du hast deinen Manager bereits erwähnt, Hage Hein aus München. Wo wäre Hubert von Goisern heute, wenn er nie diesem Menschen begegnet wäre?
Schwer zu sagen, denn zum Glück ist diese Begegnung ja passiert. Hage und ich haben uns sofort bestens verstanden, mussten aber im Laufe der Jahre auch harte Kämpfe austragen, die unsere Zusammenarbeit immer wieder fast ans Ende brachten. Aber das gehört dazu und belebt die Beziehung! Für mich gibt’s keine Alternative zu Hage – wenn ich mit diesem Typen nicht mehr kann, dann höre ich auf!
Es geht noch immer munter weiter: Du hast gerade dein neues Studioalbum „Federn“ veröffentlicht, entstanden in den Südstaaten von Amerika. Warum diese Musikreise?
Schon während unserer letzten Tournee und meiner anschließenden Kreativpause hat mich die offensichtliche Entfremdung zwischen Amerika und Europa sehr beschäftigt. Darum bin ich danach über den großen Teich geflogen, um dort länger Zeit zu verbringen und um zu versuchen, eine kulturelle Brücke zu schlagen. Das sollte mein Beitrag werden, dass sich wenigstens ein paar Menschen wieder annähern und dieses gegenseitige Unverständnis verschwindet. Reisedestinationen waren unter anderem Nashville und New Orleans, also dort, wo Country und Blues gelebt werden. Hier war ich vorher außerdem noch nie…
Hat dieser Brückenschlag funktioniert?
Ganz im Gegenteil, ich bin noch entfremdeter zurückgekehrt als ich vor meiner Abreise schon war. Amerika ist nicht gleich Amerika, aber diese Eigenschaft zieht sich durch das ganze Land: Die meisten Menschen dort leiden unter maßloser Selbstüberschätzung! Ich halte diese Angeberei überhaupt nicht aus. Jeder erzählt dir von großen Plänen und wie toll er bzw. sie ist. Nach kurzer Zeit kommt man aber relativ leicht drauf, dass dahinter rein gar nichts steckt. Das hat meinen Aufenthalt sehr getrübt. Genau vor einem Jahr im Juni war ich schon fast so weit, dass ganze Albumprojekt einzustampfen.
Was hat „Federn“ gerettet?
Die Tatsache, dass ich meiner Band versprochen habe, im Herbst 2014 auf Tour zu gehen. Vorher hätte die Platte erscheinen sollen, ich habe die Veröffentlichung verhindert, wollte dieses Scheißprogramm aber dennoch live versuchen und spielen. Das war die Rettung bzw. die Geburtsstunde von „Federn“: Denn beim Proben und Spielen sind wir dann alle drauf gekommen wie geil dieses Material ist. Nach ein paar Adaptionen und Korrekturen bin ich jetzt davon überzeugt, dass „Federn“ eines der besten Alben meiner Karriere ist.
Von diesem „Scheißprogramm“ und der damit eingehenden Geilheit werden wir uns im Juli in der Ottakringer Arena Wiesen überzeugen. Bis bald!