Jazz fürs Herz
Gregory Porter im Interview
Mit seinem gefeierten Album ‚Liquid Spirit‘ aus dem Jahr 2013 und erstklassigen Kollaborationen mit elektronischen Musikkünstlern schaffte Gregory Porter den Durchbuch. Jetzt legt der 45-jährige Teddybär mit ‚Take Me To The Alley‘ nach. Vor seinem Auftritt bei der Nova Jazz & Blues Night am 8. Juli im Schlosspark Esterházy hat er mit VOLUME über seine Liebe zu Wien, die Arbeit mit Disclosure und den Wunsch, Grenzen zu sprengen, gesprochen.
Es heißt, du bist ein Fan von Wien. Was reizt dich an der Stadt?
Bei meiner Premiere hier war ich Gast bei einer Party in einem Museum. Dort war wirklich jede Art von Mensch, die man sich vorstellen kann: reich, arm, schwarz, weiß, gelb, schwul und hetero. Und sie alle feierten fröhlich zusammen. Mittlerweile habe ich zwar auch gegenteilige Erfahrungen in Wien gemacht, aber dieser erste Eindruck war toll.
Was war die gegenteilige Erfahrung?
Ich habe Leute getroffen, klassische Musiker, die mich aufgrund meines Aussehens und der Kleidung für einen HipHopper gehalten und deshalb abschätzig behandelt haben. Das hat mich schon sehr geärgert, speziell, weil wir davor in Wien so eine tolle Zeit hatten. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Song ‚Painted On Canvas‘ davon kommt. Denn da geht es darum, dass Menschen komplex, einzigartig und interessant sind, und man sie nicht nur einmal anschauen und dann gleich entscheiden kann, wer jemand ist.
War der Wunsch, auch musikalisch Grenzen zu sprengen, der Grund dafür, mit Disclosure den Song ‚Holding On‘ zu machen und den Hit ‚Liquid Spirit‘ von Claptone remixen zu lassen?
Zuerst möchte ich sagen, dass ich deshalb nicht zu einem Dance Act werde. Ich bin und bleibe ein Jazzkünstler. Aber die Zusammenarbeit mit Disclosure ist ganz natürlich entstanden, denn Howard Lawrence hört öfter in die Plattform Jazz-FM rein. Über Tweets hatte ich schon mitgekriegt, dass er meine Stimme mag. So haben sie mich zum Jammen eingeladen, wir haben am Klavier diesen Song geschrieben, sie haben dann den Track daraus gemacht. Für mein Album ‚Take Me To The Alley‘ habe ich jetzt daraus eine reduzierte Version mehr in meinem Stil produziert. Aber so eine Zusammenarbeit ist cool – solange es weiter um die Botschaft geht. Denn im Dance kann es so viel mehr geben als ‚Schüttel deinen Hintern‘ oder ‚Bewege die Beine‘.
Handelt der Song ‚Take Me To The Alley‘ von deiner Mutter und was sie dir gegeben hat?
Ja, genau. Sie war Pastorin in Bakersfield in Kalifornien, wo ich aufgewachsen bin. Aber sie wollte keine schöne, weiße Kirche übernehmen, vor der die Blumen blühen. Sie sagte, gebt mir eine Kirche in der schlimmsten Gegend. Also hatten wir die Kirchen an der Lakeview Avenue und der Union Avenue – umgeben von Prostitution, Drogen, Obdachlosen und geisteskranken Menschen. Denn dort wurde meine Mum am meisten gebraucht und konnte auch am meisten ausrichten. Mit diesem Verhalten hat sie mir die Augen geöffnet.
Und sie hat sofort dein Talent erkannt…
Eine meiner ganz frühen Erinnerungen ist, dass sie mir im Wohnzimmer Songs beige- bracht hat. Und ich erinnere mich an die Kraft der Musik in der Kirche. Da habe ich all diese Gospel Songs aus einer längst vergangenen Ära gesungen. Das inspiriert meine Musik heute immer noch. ‚Liquid Spirit‘ kommt direkt davon. Jedenfalls dachte ich damals nicht, dass ich ein spezielles Talent habe, meine Mutter aber schon.
Jetzt bist du einer der ganz wenigen Stars im Jazz, die den Übergang in den Mainstream geschafft haben. Woran liegt das?
Ich denke, an der Botschaft. Ich singe nur über das, was ich erlebt habe und fühle. Die Leute spüren die Ernsthaftigkeit und das Anliegen dahinter. Mir ist vollkommen klar, dass nicht alles, was ich mache, den Jazz-Traditionalisten gefällt. Aber ich möchte als Musiker auch die Nicht-Jazz-Hörer erreichen und zu ihnen sprechen. Ich möchte diesem ‚Das ist Jazz‘ oder ‚Das ist Soul‘ aus dem Weg gehen, generell das menschliche Herz ansprechen.
Das Herz hört mit – auch bzw. besonders bei Gregory Porter am 8. Juli im Schlosspark Esterházy.