Absolute Profis
Beginner im Interview
Jan Philipp Eißfeldt, Dennis Lisk und Guido Weiß sind seit 25 Jahren Beginner. Mit ‚Bambule‘ haben sie 1998 Hip-Hop-Geschichte geschrieben, jetzt packen sie Hamburg nach 13 Jahren Funkstille wieder auf die Karte. Das neue Album ‚Advanced Chemistry‘ lässt die Herzen von Jung und Alt schneller schlagen, der Titel huldigt den Heidelberger Rap-Pionieren um Torch, Toni L und Co. Respekt! Wie wichtig sind Musikjournalisten heutzutage? War Falco der erste weiße Rapper? Vertragen sich Füchse und Kater? Kommen die Beginner auch live nach Österreich, wenn Norbert Hofer die Bundespräsidentenwahlen gewinnt? Eizi Eiz, Denyo und DJ Mad haben die Antworten!
‚Advanced Chemistry‘ heißt das neue Album der Beginner, 1995 habt ihr eure erste Single ‚Die Kritik an den Platten kann die Platten der Kritik nicht ersetzen‘ veröffentlicht. Preisfrage: Kann die Kritik an den Platten im Jahr 2016 die Platten der Kritik mittlerweile ersetzen?
Denyo: Natürlich nicht! In Zeiten von BuhTube und Hatebook hat jeder Hans oder Franz zu allem eine Meinung, aber nur selten eine Ahnung. Willkommen im Internet!
Eizi Eiz: Deutschland hatte schon immer so viele Nationalmannschaftstrainer wie Einwohner. Seit soziale Medien unseren Alltag prägen, ist jede und jeder auch noch Kunstexperte geworden. Früher waren einige wenige Musikjournalisten das sprichwörtliche Zünglein an der Waage. Der Stellenwert dieses Berufs hat abgenommen, Kritik ist nach wie vor allgegenwärtig. Bewertungen auf Amazon und Co. machen es sehr leicht möglich, Meinungen in den digitalen Orbit zu furzen.
Kritik hin oder her? Muss das neue Album auf Eins gehen?
Eizi Eiz: Alles muss, nichts kann!
Denyo: Aber es wäre gelogen, wenn wir behaupten würden, nicht auf die Spitze der Charts zu schielen. Darum erscheint ‚Advanced Chemistry‘ bewusst nicht im Weihnachtsgeschäft. Rund um Plattenveröffentlichungen passiert heutzutage wesentlich mehr als zu unseren Anfangszeiten. Alles ist genau geplant: Zuerst viel Blabla bzw. Promotion und Festivalauftritte, dann ausgiebiges Touren – früher waren wir schon froh, wenn überhaupt etwas erschienen ist.
DJ Mad: Nach dem hauptsächlich positiven Feedback zu Vorboten wie ‚Ahnma‘ live oder ‚Es war einmal‘ im Netz können wir jetzt ganz entspannt genießen, was mit unserer neuen Platte noch alles passiert in den kommenden Monaten. Eine Spitzenplatzierung würde gut ins Gesamtbild passen, ist aber keinesfalls die Motivation für uns, Musik zu veröffentlichen.
Habt ihr bei den Heidelberger Herrschaften Torch, Toni L und Co. um Erlaubnis für den Albumtitel gefragt?
Denyo: Nach dem neunten Telefonat hat Eizi Eiz endlich das offizielle Go von Torch bekommen. Auch wenn wir ein sehr familiäres Verhältnis zu ihm und seiner Band Advanced Chemistry pflegen, war hier natürlich Fingerspitzengefühl gefragt. Es geht um ihr Lebenswerk, ein Kulturgut der deutschen Hip-Hop-Geschichte, dem wir mit diesem Albumtitel unseren Respekt zollen. Kein Rap in Deutschland ohne Advanced Chemistry!
Aber Falco war der erste weiße Rapper.
Eizi Eiz: Ja! Zwar haben Thomas Gottschalk, Frank Laufenberg und Manfred Sexauer
als G.L.S.-United und dem Song ‚Rapper’s Deutsch‘ angeblich das erste deutschsprachige Raplied veröffentlicht. Aber das Ganze ist vollkommener Scheiß! Falco hingegen war ein derber Typ mit einem unvergleichlich krassen Flow, ganz zu schweigen von seinem fett produzierten Sound.
Denyo: Als Rapper würde ich ihn nicht bezeichnen, weil Falco die damit verbundenen Kulturmerkmale nicht repräsentiert. Aber er hat Sprechgesang als Stilmittel für deutsche Popmusik salonfähig gemacht. Sein musikalisches Erbe bleibt sowieso unvergessen!
Jeder von euch hat in den vergangenen Jahren Soloprojekte verfolgt. Ist es eine Umstellung, wieder Beginner zu sein? Wie kommt man nach 13 Jahren auf einen gemeinsamen Albumnenner?
Denyo: Diese Band ist seit 25 Jahren meine Basis, so etwas wie Familie. Hier hat für mich alles angefangen! Ich genieße den gemeinsamen Meinungsaustausch, um am Ende etwas Großes entstehen zu lassen, mit dem alle Beteiligten – also die Beginner – absolut zufrieden sind. Der Weg dorthin ist ein kritischer Prozess und läuft natürlich nicht immer reibungslos. Als Solokünstler triffst du fast alle Entscheidungen selbst, bestimmst deinen eigenen künstlerischen Weg. Eine Band lebt von Kompromissen. Nach so vielen Jahren im Musikgeschäft und einem Meilenstein wie ‚Bambule‘ in der Diskographie, sind die gegenseitigen Ansprüche extrem hoch. Aber genau darum geht es jetzt: Wir wollen gemeinsam das Beste aus uns herausholen! Auch wenn dieses Mal etwas mehr Zeit dafür von Nöten war…
Eizi Eiz: 13 Jahre Veröffentlichungspause und unsere eigenen Projekte waren enorm wichtig, als Band wieder Spaß zu haben. Auch, weil wir uns alle in verschiedene Musikrichtungen ausprobieren konnten. Jetzt zieht jeder von uns wieder am gleichen Strang.
DJ Mad: Das Schöne nach so vielen Jahren ist, dass wir wichtige Erfahrungen sammeln durften und genügend Fehler gemacht haben, die uns jetzt nicht mehr passieren. Das konnten wir alles beim Produktionsprozess einbringen – was aber nicht heißt, dass wir ‚Advanced Chemistry‘ einfach so aus der Hüfte geschossen haben. Hinter uns liegt harte Arbeit.
Die sich jetzt auszahlt, auch weil die Beginner ihre Gastbeiträge für ‚Advanced Chemistry‘ sehr clever ausgesucht haben. Wie kommen …
Eizi Eiz: … Gzuz von der 187 Strassenbande und Haftbefehl auf das Album? Nicht aus Kalkül, sondern wegen dem Flash! Wir sind bekennende Fans von den Jungs und haben sie nicht eingeladen, um eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. Es geht um Hip-Hop! Und der lebt davon, dass sich Generationen austauschen und gegenseitig bereichern. Zumindest in unserer Vorstellung!
Wie vertragen sich Füchse und Kater?
Denyo: Füchse mögen keine Kater!
Eizi Eiz: Vor allem jetzt nicht mehr, wo Füchse Kinder haben. Da fehlen ganz einfach die Zeit und die Kraft, Kater zu feiern.
Irgendwann werden in Österreich dann doch endlich die Bundespräsidentenwahlen wiederholt. Was passiert, wenn der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer dieses Mal gewinnt? Wären damit die Gastspiele der Beginner in Gefahr?
DJ Mad: Wieso sollten wir vor so einem Blödsinn kapitulieren? Wir stellen uns da lieber auf die Bühne und brüllen mit allen Verstärkern, die wir haben, dagegen!
Denyo: Neben den Leuten, die Scheiße wählen, gibt es ja immer noch Leute, die mit dieser Scheiße leben müssen. Und genau diese Österreicher und Österreicherinnen lassen wir Beginner sicher nicht im Stich!
Egal, was auf der politischen Bühne passiert – VOLUME freut sich auf die Beginner kommenden November in Linz und Wien!