Mi, 25. Jan 2017

Olivier Assayas über 'Personal Shopper'

VOLUME Interview

Der französische Regisseur, der für seine eigenwillige Art zu filmen bekannt ist, im VOLUME-Gespräch über seinen neuen „Horror“-Film, Kristen Stewart, Robert De Niro und die Urangst des Menschen.

Was war der Auslöser für diesen Film? 

Ich fange immer mit den Figuren an. Ich wollte darüber schreiben, wie Leute damit umgehen, dass sie im Laufrad feststecken und dabei ihren dummen, frustrierenden, entfremdenden Jobs nachgehen. Und wie sie Trost in ihren Hoffnungen, Träumen und ihrer Imagination finden. Kurz, in irgendeiner Form von Spiritualität, da wir zwar die Religion verloren haben, aber das Bedürfnis nach diesen Gefühlen bleibt. Natürlich hat sich die Geschichte dann ergeben und weiterentwickelt, aber so hat sie angefangen. 

Der Film ist ja irgendwie eine Geistergeschichte. Glaubst du persönlich an Geister?

  Wir alle tun das. Wenn wir mitten in der Nacht alleine in einem Wald sind, dann glauben wir einfach, dass da etwas im Dunkeln ist. Man weiß nicht, was es ist, also gibt man ihm den Namen Geist. Wir alle wissen, dass es mehr gibt, als das, was wir sehen können. Es tut sich so viel in unserer Vorstellung und wir haben ständig Gespräche mit Menschen, die gestorben sind und die wir geliebt haben.

Aber ist das real? 

Ich denke, dass wir unsere inneren Ängste nach außen projizieren. Dadurch werden sie real, indem sie unsere Wahrnehmung verzerren.  

Die Hauptrolle spielt Kristen Stewart, die ja nicht unumstritten ist. Das ist das zweite Mal, dass du mit ihr drehst … 

Ich halte sie wirklich für eine einzigartige Schauspielerin ihrer Generation, lese nichts über sie im Internet und habe nur den ersten Teil von Twilight gesehen. Kristen Stewart ist sehr bodenständig und nett, wenn man sie erstmal kennt. Natürlich versucht sie sich zu schützen, weil sie ein Filmstar ist, aber am Ende ist sie auch nur eine Schauspielerin. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich mit ihr arbeiten kann, zu einem Zeitpunkt, an dem sie realisiert, wozu sie imstande ist. Dass sie ausprobieren kann, was sie noch nie zuvor gemacht hat.

Du lässt also deinen Schauspielern Freiheiten, ihre Rollen zu gestalten?

Definitiv. Ich bin kein kontrollierender Regisseur. Ich mache keine Proben, ich erkläre nichts, ich stelle sie nur vor die Kamera. So komme ich zu sehr natürlichen, physischen Bildern. Ich glaube nicht daran, dass man alles erklären muss. Ich gebe jetzt rückwirkende Antworten auf Fragen, die ich mir während des Filmens so gar nicht gestellt habe. Filmemachen muss intuitiv sein. Es hat mit dem Körper und der Seele zu tun. Das Wichtige ist, sich die richtigen Schauspieler auszusuchen. Wenn man die einmal gefunden hat, geht alles wie von selbst. Dann kann man ihnen den Raum geben, in dem sie sich entfalten können. Letztendlich wissen sie mehr über die Rolle, als ich. 

Was, wenn sich beim Drehen herausstellt, dass der Schauspieler doch nicht geeignet ist, doch nicht die Rolle tragen kann? 

Nachdem meine Filme charakterorientiert sind, wäre ich ziemlich im Arsch. Aber glücklicherweise ist mir das noch nie passiert. Manchmal gibt es Schauspieler, denen man etwas helfen muss, aber das ist okay. Wenn ich einen bestimmten Schauspieler haben will, dann muss ich mich an seine Art, wie er funktioniert, anpassen. Vor ein paar Jahren hatte ich in ein Projekt mit Robert De Niro, der ein ziemlicher Kontrollfreak ist. Da sitzt man dann stundenlang in irgendwelchen Meetings herum. Mit seinen Garderobiers, nur um zu besprechen, was er in welcher Szene anziehen wird. Aber, wie gesagt: Das ist okay, das ist die Art, wie er funktioniert. Dieses Projekt ist dann allerdings an der Finanzierung gescheitert.

In Personal Shopper geht es scheinbar auch um eine Urangst des Menschen, nämlich das Opfer eines namenlosen Jägers, Monsters, Killers, oder Ähnlichem zu werden. 

Absolut. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir von uralten Instinkten getrieben werden. Und das ist genau das, worum es in solchen Geisterwelten geht. Die größten Ängste hat man immer vor Dingen, denen man keinen Namen geben kann.  

Kann man sagen, dass das ein Teenage-Slasher-Movie ist, der Genrekonventionen bricht? 

Ich war immer begeistert von gewissen Genreregisseuren wie John Carpenter oder David Cronenberg. Ich lasse mich von ihnen inspirieren, weil sie moderne Filme geschaffen haben, die eine physische Beziehung zum Publikum aufgebaut haben, während die Indie-Filmemacher komplett auf die Verbindung zum Publikum vergessen haben. Ich mache aber hier keinen Genre-Film, sondern einen Film über eine junge Frau, die über den Tod ihres Bruders trauert. Um das auszudrücken, verwende ich aber sehr bewusst Elemente des Horror-Genres. Sie sind wie Farben auf einer Leinwand.