Get Skis or Die Tryin'
Supernackt #62
Wir gehen Skifahren. Warum? Weil es scheiß teuer ist und es sich die meisten von euch armen Würstchen nicht leisten können. Wir gondeln der Abgehobenheit entgegen und verlassen das Tal der Armut. Wir müssen uns distanzieren vom Bodensatz der Gesellschaft. Natürlich ist Skifahren immer noch ein Breitensport in unseren Gefilden, aber nicht mehr lange. Noch lieber fliegen wir daher Skifahren. Teurer. Ihr Würstchen. Wenn wir den privaten Heli gerade nicht kreisen lassen, hocken wir auf 5 Sterne-Sonnenterrassen unter dem Heizschwammerl, gurgeln Kristalle in Champagnerform und lagern die beheizten Stiefel aus Zobelpelz hoch. Dabei glitzert der Schnee um uns herum unendlich vielen Diamanten gleich. Macht Bock auf den angeschlossenen Juwelier.
Einblicke in die Gedankenwelt der Reichen und Geföhnten
Der Klimawandel treibt die Schneegrenze und Exklusivität des alpinen Treibens stetig in die Höhe. Skifahren ist, wie aussterbende Tierarten zu jagen. Nur noch flüchtiger. Wer kann sich schon einen ausgestopften Schneemann über den Kamin nageln. Es ist ein Spiegelbild unserer eigenen Vergänglichkeit. Wir widersetzen uns mit Botox und Schneekanonen. Es hat etwas Biblisches. Nicht Wasser zu Wein – sondern zu Schnee. Mit enormem Energieaufwand wird bestes Trinkwasser zur Fußmatratze. Zum weißen Teppich, über den wir immer wieder gerne ins popelige Tal gleiten. Wir thronen darüber in Luxuschalets, der Bergspitze so nahe. Wir müssen immer weiter hinaus. Immer höher. Wir folgen dem Schnee. Bis alles schmilzt. Nicht mehr ist. Vielleicht nie wieder kommt. An der Spitze ist es einsam. Endlich keiner da, der einem ans bepelzte Bein brunzt.
Tiefe Einkehr in der Höhe
Skifahren lässt uns auf das Wichtige im Leben besinnen. Auf die Gegensätze, die unser Dasein prägen. Wie Sitzheizung im Schneegestöber, die Zerstörung der Natur für ein Naturerlebnis oder Hummer auf 4.000 Meter Höhe. Kommt einfach besser da oben. Wie kommt der überhaupt hierher? Egal. War sicher teuer. Rückt mal die Austern rüber, aber bitte nur die mit den Perlen. Natürlich können wir auch auf privaten Tropeninseln unseren Luxus zelebrieren und uns die geliftete Haut verbrutzeln lassen, aber Pelz ist teurer als Bikini. Und in den Bergen können wir massig davon tragen. Außerdem geht es um etwas Anderes: Ruhe. Weitblick. Einsamkeit. Wichtig, wenn der dritte Weltkrieg kommt. Und er wird kommen. Die Probleme türmen sich gen Himmel. Doch die Bergspitzen ragen darüber hinaus. Hier interessieren die Probleme der Menschheit nicht. Plastik im Meer? Nicht in den Bergen. Wirtschafts-, Klima- und Kriegsflüchtlinge? Nicht in den Bergen. Massenbombardements, Giftgasangriffe und Kriegsverbrechen? Nicht in den Bergen. Frische Luft, statt muffigem Bunker. Skifahren ist unsere Überlebensstrategie. Teuer. Aber es sollen auch nicht alle überleben. Vor allem nicht ihr. Die trying.