Willst du wissen, was ich zwischen den Beinen habe?

Wir müssen reden! #64

Florian ist ein 18-jähriger Gymnasiast aus einer Kleinstadt im Kanton Graubünden in der Schweiz. In seiner Freizeit spielt er Handball im Verein, zockt Videospiele, flirtet mit Mädchen und geht am Wochenende auch gern mal ein paar Bier trinken. Ein ganz normaler Bursche – mit einem kleinen Unterschied zu seinen Klassenkameraden: Flo kam als Sabine zur Welt.

Schön, dass du da bist!
Danke, dass ich kommen durfte. Ist mein erstes Interview.
Wann wusstest du, dass du nicht so bist, wie die anderen Kinder? Und wie hast du es deinem Vater gesagt?
Ich war schon immer ein Junge und ich wusste das auch von Anfang an. Nur körperlich hat da eben nichts gestimmt. Mein Dad wusste das schon lange vor mir. Er hat nie versucht, mich in gewisse Rollenbilder zu drängen. Ich glaube, ich war etwa zehn, als ich ihm gesagt habe, dass ich ein Bub bin.
Und dann?
Er hat nur okay gesagt und mich gefragt, mit welchem Namen er mich ansprechen soll. Flo fand ich immer cool.
Voll gut, dass du es da so einfach hattest. Und dein restliches Umfeld? Freunde, Familie? Wie waren da die Reaktionen?
Familie habe ich keine, bis auf meinen Vater. In der Schule war es ein bisschen schwieriger. Dort war ich weiterhin die Sabine. Mit kurzen Haaren und Hosen statt Kleidern habe ich zwar nicht ganz ins Bild gepasst aber ich war noch nicht so weit, mich zu outen. Beim Wechsel in die Oberstufe kam auch der Schulwechsel und dort war ich dann Florian.
Wussten die anderen davon?
Zuerst nur die Lehrer. Die waren alle cool drauf und haben mich von Anfang an als Bursche behandelt. Mit der Zeit habe ich mich dann auch meinen zwei besten Freunden geöffnet, die hatten auch kein Problem. Sonst sehe ich aber keinen Grund, es jedem zu erzählen. Vor allem da ich durch die Hormone auch wirklich nicht weiblich wirke, ich habe keinen Busen, eine tiefere Stimme als andere in der Klasse und durch das viele Training auch einen besseren Körper als die meisten. (grinst stolz)
Können wir ganz offen reden?
Du willst wissen, was ich zwischen den Beinen habe?
Ja.
Viele Transmenschen finden diese Frage ziemlich daneben. Und ich kann sie auch irgendwie verstehen. Aber ich verstehe auch, warum es für viele Leute so interessant ist, die mit dem Thema noch nicht intensiv in Kontakt gekommen sind. Um es kurz zu machen: Titten hatte ich zum Glück nie große, die Pölsterchen und Drüsen, die noch da waren, habe ich wegmachen lassen. Einen Schwanz habe ich keinen, da bin ich noch unbeschreiblich weiblich. (lacht)
Hättest du gern einen?
Weiß ich gar nicht. Ich bin ein Mann, das weiß ich. Brauche ich dazu seinen Penis? Für jetzt bin ich zufrieden. Aber vielleicht ändere ich meine Meinung in ein paar Jahren.
Wie hast du Sex?
Mit mir selber sehr oft, haha. Mit einem Mädchen noch nie. Das ist vielleicht das einzige Gebiet, auf dem ich wirklich noch sehr unsicher bin. Es ist schwierig, sich zu öffnen und jemandem so viel Vertrauen entgegenzubringen. Und die Angst vor Zurückweisung ist natürlich immer sehr präsent. Ich hatte noch nie eine Freundin, leider.