Der Melancholiker mit dem halbvollen Glas
Gisbert zu Knyphausen im Interview
Fünf Jahre Auszeit nahm sich Gisbert zu Knyphausen nach dem Tod seines Weggefährten Nils Koppruch. Mit dem Release von ‚Das Licht dieser Welt‘ meldet er sich zurück und ist nun mit neuer Band auf Tour. Ein prall gefülltes WUK erfreute sich an den melancholisch-optimistischen Texten des Liedermachers und wir sprachen mit ihm über seine neuen Songs, seine Reisen und seine adelige Herkunft.
Seit dem Album ‚Kid Kopphausen‘ aus 2012 sind sechs Jahre vergangen. Dazwischen warst du auf Reisen, Bassist bei Olli Schulz und hast mit ‚Husten‘ eine sehr gut gelaunte EP rausgebraucht. Wie spiegeln sich diese Erfahrungen auf deinem neuen Album wider?
Am einfachsten geht das anhand der Reisen und am eindrücklichsten war die Reise nach Teheran, durch die auch die Idee zu ‚Teheran Smiles‘ entstanden ist. Ich habe mit einer iranischen Band zusammengearbeitet. Bei den abendlichen Jamsessions wurden viele Lieder gesungen. Da war eines trauriger als das andere und das hat mich sehr versöhnt mit meinem Hang zu traurigen Themen. Meine Erfahrung als Bassist bei Olli spiegelt sich nicht unbedingt in meinem neuen Album wider, glaube ich. Außer dass ich Ollis Einfälle toll finde. Er erzählt so schöne Geschichten von irgendwelchen Menschen, die er sich so ausdenkt. Das hab ich auch ein bisschen probiert, textlich weniger aus der Ich-Perspektive, sondern mehr über Geschichten anderer etwas auszudrücken, die dann trotzdem was über mich erzählen.
Die Nummer ‚Das Licht dieser Welt‘ klingt aber so, als wärst du vor kurzem Papa geworden…
Ja, bin ich aber nicht! Es sind sehr viele Leute um mich herum Väter geworden und ich hab mir überlegt, wie das wäre und was ich dem Kind auf den Weg geben wollte. Aber ich bin quasi Stiefpapa geworden. Meine Freundin hat eine Tochter, die ich im letzten Jahr in mein Leben integriert hab. In dem Sinne bin ich ein bisschen Papa geworden – Teilzeit- Papa.
In ‚Kommen und Gehen‘ wiederum versetzt du dich in jemanden hinein, der gerade seinen Lebensabend verbringt.
Das Thema Tod war einfach präsent, weil Nils (Koppruch, Bandkollege bei Kid Kopphausen, Anm.) und meine Oma gestorben sind. Es sind so viele Sachen passiert, aufgrund derer ich mich mit dem Thema Endlichkeit auseinander gesetzt habe.
Haben die vielen Reisen den Weg dafür geebnet, dass du dich wieder kreativ damit auseinandersetzen konntest?
Ja, auf jeden Fall. Die Band war grad so in Schwung und es wurde alles gegen die Wand gefahren, als Nils gestorben ist. Das hat mich aus der Bahn geworfen und ich habe gemerkt, dass ich mal eine Pause von der Bühne und vom öffentlichen Gisbert zu Knyphausen-Dasein brauche.
Neben der thematischen Bandbreite fällt auf, dass die neue Platte instrumental viel breiter aufgestellt ist.
Ich hab diesmal mit einer komplett neuen Band zusammengearbeitet. Ich hatte das Gefühl, es braucht einen Neuanfang. Und vor allem wollte ich mal Blasinstrumente in meine Musik integrieren. Im Kern habe ich mit Jean-Michel Tourette zusammengearbeitet. Den kannte ich ein bisschen von früher über ‚Wir sind Helden‘ und wir haben uns dann mal im Urlaub kennengelernt und angefreundet.
Wie lernt man sich im Urlaub kennen?
Zufällig. Auf den kanarischen Inseln in einer Kneipe, in der Fußball lief. Die Arbeit am Album habe ich mit Jean und dem Bassisten Flo begonnen. Anders als ich das früher gemacht habe, haben wir am Computer Spur für Spur aufeinandergeschichtet. Bis jetzt war mein Anspruch, Songs möglichst live aufzunehmen, aber diesmal haben wir die Stücke viel länger gären lassen – und erst dann andere, passende Musiker dazu geholt.
Du bist der Spross einer friesischen Adelsfamilie. Wie prägt dich das als Künstler?
Das weiß ich nicht so genau. Es ist natürlich was anderes in einer adeligen Familie aufzuwachsen, alles war ein bisschen feiner Zuhause. Alle legen darauf Wert, dass man alle Verwandten kennt. Mir war das manchmal unheimlich, aber bei uns gab es nicht so strenge Regeln. Meine Mutter war später auch die Erste, die das total cool fand, dass ich so etwas wie Musiktherapie studiere und anfange, selbst Songs zu schreiben. Da waren mein Vater oder andere aus der Familie skeptischer. Es gab aber auch Leute aus meiner Familie, an denen ich mich orientieren konnte, wie meine ältere Cousine, die Holzbildhauerin gelernt hat und in einer Wagenburg bei Flensburg gelebt hat. Ich kann natürlich nicht glaubhaft über Arbeiterthemen singen, ich bin ja sehr privilegiert aufgewachsen. Irgendwie würde ich gern mehr politische Texte schreiben, aber ich habe noch nicht so einen guten Zugang dazu gefunden. Ich komme mir da unglaubwürdig vor, wenn ich solche Themen anfasse und denke vor allem immer: ‚Scheiße, so ein Popsong ist viel zu kurz, um alle Seiten der Medaille abzudecken.‘ Aber naja, es gibt ja genügend Leute, die das saugut machen.
Wir wären auf jeden Fall gespannt auf einen politischen Song aus deiner Feder. Vielen Dank für das Gespräch!