Die mit dem Wolf tanzt
Neva im Test
Neva ist die Art von Spiel, die Videospiel-Enthusiasten im Kopf haben, wenn sie sagen „Ja, Videospiele SIND Kunst“. Warum uns das wunderschöne Abenteuer vollkommen in seinen Bann gezogen und uns trotzdem nicht komplett überzeugt hat, klären wir im Test.
Von Beginn an werdet ihr bei Neva merken: Die Entwickler von Nomada Studio wissen, wie sie euch emotional drankriegen. Erstmal gibt’s gleich eine wunderschöne Spielwelt, die uns mehr als einmal ein leises „Wow“ entlockt hat. Dann springen ein süßer Wolfswelpe und seine große Mama durchs Bild. Und dann lassen sie die Mama gleich zu Beginn des Spiels sterben und die menschliche Ersatz-Mama Alba, von euch gesteuert, ist ab sofort mit dem Wolfsbaby allein. Allein die ersten fünf Minuten treiben selbst hartgesottenen Gamern die Tränen in die Augen, so wunderschön inszeniert Neva seinen Beginn. Kein Wunder: Nomada Studio haben mit dem traumhaften Gris schon genug Erfahrung in die Richtung gesammelt.
Und der schnelle Druck auf die Tränendrüse ist auch Absicht, denn Neva bleibt über die ganze Spieldauer bei den ganz großen Emotionen. Tod, Verlust, Depression, aber auch Hoffnung, Wiedergeburt oder der ewige Kreislauf der Jahreszeiten: All diese ewigen Themen der Menschheit werden in diesem Spiel behandelt. Eure Aufgabe ist es als Alba, die wunderschöne Spielwelt vor einer seltsamen schwarzen Macht zu retten, die dafür sorgt, dass die Umgebung langsam in ihre Einzelteile zerfällt und die auch für den Tod von Mama Wolf verantwortlich ist. Gleichzeitig müsst ihr dafür sorgen, dass Neva gesund und munter bleibt – was gerade zu Beginn oft schwierig genug ist, da sich der kleine Welpe einfach noch nicht zu wehren weiß.
Hauen, springen, Stöckchen holen
Ihr dürft euch Neva aber nicht wie eine einzige, lange Escort-Mission vorstellen. Stattdessen ist das Spiel im Kern ein Action-Plattformer mit kurzen Kampfsequenzen, in denen euch Neva selbst im Spielverlauf mehr und mehr unter die Arme greift. Das Spiel ist nämlich in unterschiedliche Jahreszeiten eingeteilt, und so ein Welpe bleibt nicht ewig klein. Später verwurstet Neva etwa sehr eigenständig die schwarzen Gestalten, die ihr bekämpfen müsst, oder ihr könnt sogar auf ihr reiten. Die Unterstützung ist auch notwendig, denn ihr seid zwar mit eurem Schwert sehr wehrhaft unterwegs, die Kämpfe werden aber häufiger und heftiger. Erwartet euch aber keine Offenbarung in Sachen Kampfsystem: Schlagen, ausweichen, springen – das ist euer Werkzeugkasten, mit dem ihr zurechtkommen müsst. Kombos oder Spezialschläge gibt es nicht, das Spiel ist aber offensichtlich bewusst nicht darauf ausgelegt.
Ein Fest für Augen und Ohren
Denn der eigentliche Star in Neva ist weder Wolf noch Mensch, sondern die Welt, durch die ihr euch bewegt. Ohne zu viel spoilern zu wollen, die Landschaften, durch die ihr euch bewegt, gehören zum Beeindruckendsten, das wir in Sachen Art Direction jemals gesehen haben. In Kombination mit dem wunderschönen Soundtrack von Berlinist werdet ihr euch im Flow von Springen, Laufen, Kämpfen verlieren. Unsere Empfehlung: Spielt mit Kopfhörern, um komplett in Neva abzutauchen.
Rechnet aber nur nicht damit, das allzu lange zu tun. Wir waren mit dem Spiel in knapp vier Stunden durch, was selbst bei wohlwollender Betrachtung und dem fairen Preis von 20 Euro wirklich nicht viel ist. In der Spielwelt gibt es noch versteckte Plattformen und extra-anspruchsvolle Sprungpassagen, an deren Ende eine Blume als Collectible wartet. Selbst wenn ihr es euch zur Aufgabe macht, diese Blumen alle einzusammeln, könnt ihr höchstens noch eine oder zwei Stunden auf die Spielzeit draufschlagen.
Und auch wenn die Spielwelt und die Präsentation euch in den Bann ziehen werden, spielerisch bleibt Neva auf der simplen Seite. Weder das Platforming noch die Kämpfe werden halbwegs erfahrene Gamer vor große Herausforderungen stellen, was umgekehrt dafür aber heißt, dass Neva auch für Einsteiger*innen zugänglich ist. Am Ende können wir für Neva eine Kaufempfehlung mit einem „aber“ aussprechen. Das Spiel wird euch zwar nur einige Stunden beschäftigen und euch dabei nicht allzu sehr fordern. Aber diese Stunden werden euch sehr, sehr lange in Erinnerung bleiben. Denn wie wir zu Beginn schon gesagt haben: Neva ist ein Kunstwerk und sollte auch so betrachtet werden.
— Martin HammerlDas Gute
+ Eine der schönsten Inszenierungen, die wir je gesehen haben
+ Wunderschöne Spielwelt
+ Große Kreativität im Design
+ Auch für Einsteiger passend
+ Für Steam Deck-User: flüssiges Spielerlebnis
Das Schlechte
- Sehr knappes Spielerlebnis
- Spielerisch nicht sehr fordernd